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www.hoerspielundfeature.de: Wie die Kölner Sinti-Familie Reinhardt ihre Identität verteidigt
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Gepiqd habe ich heute ein kluges, souveränes und sehr hörenswertes Feature der Autorin Alexa Henning über die Sinti-Familie von Karl Joseph Reinhardt. Es ist zwar schon im vergangenen Jahr im Deutschlandfunk gelaufen, hat aber nichts an Aktualität eingebüßt.
Karl Joseph Reinhardt, ein Cousin des legendären Gitarristen Django Reinhardt, kam 1940 mit seiner Familie, darunter zwölf Kindern, und weiteren 1000 Kölner Sinti, Roma und Mitgliedern anderer Stämme ins Konzentrationslager Auschwitz. Viele wurden umgebracht, andere von der Roten Armee befreit, sie überlebten traumatisiert und zogen zurück in ihre Heimatstadt Köln, wo ihre Nachfahren bis heute leben.
Im Gespräch mit der Autorin erzählt der Kölner Musiker Markus Reinhardt die Geschichte seiner Familie. Er hat sie erforscht, mit den Überlebenden gesprochen, ihre Erinnerungen aufgezeichnet. Dabei geht es immer auch um heutige Debatten. Und sorry, dass das Folgende jetzt mehr Platz einnimmt, als ich eigentlich möchte, aber es ist nicht unwichtig und zugleich erklärungsbedürftig: Mit Verweis auf den Gebrauch in seiner Familie sagt er, dass der Begriff "Zigeuner" nicht diskriminierend sei – ganz im Gegenteil, was man auch hier nachlesen kann:
Ich stamme selbst aus einer Musikerfamilie. Auch unsere Vorfahren sind über die Dörfer gezogen und haben in den Kneipen Zigeunermusik gespielt: Zu einer Zeit, als es noch keine Schallplatten und keine Philharmonie gab. Wir haben klassische Musik zu den Bauern gebracht, etwa die Operette "Zigeunerbaron" aufgeführt. Im 15. Jahrhundert hat König Sigismund deshalb erstmals das Wort Zigeuner im deutschsprachigen Raum benutzt – nicht negativ, sondern ganz klar als Lob verstanden.
Wie schwierig der richtige Sprachgebrauch ist, zeigt ein Blick auf die Internetseite des Vereins "Sinti-Allianz" (hier Wikipedia). Dieser akzeptiert eine wertneutrale Verwendung des Begriffes "Zigeuner" und hält den weithin akzeptierten Doppelbegriff "Siniti und Roma" für eine unglückliche Erfindung der 1990er-Jahre:
Sinti werden bis heute immer wieder mit dem unglücklich gewählten und nur angeblich „politisch korrekten“ Doppelbegriff „Sinti und Roma“ in Verbindung gebracht, der in den 1990er Jahren erfunden wurde. Die Lebenswelten von Sinti und Roma sind sehr verschieden, da sie eine unterschiedliche Geschichte und geografische Herkunft, Wertvorstellungen und Kultur haben. Vor allem die Kultur, Gebräuche, Traditionen und ihre Sprache weichen stark voneinander ab. Im Alltag gibt es kaum Berührungspunkte zwischen Sinti und Roma. ...
Sinti haben seit 600 Jahren Fremdbezeichnungen hinnehmen müssen. Sinti bezeichnen sich selbst als Sinti, das ist ihre Eigenbezeichnung. Viele von ihnen bezeichnen sich gegenüber der Mehrheitsgesellschaft auch als Zigeuner. Wenn dieses Wort wertneutral eingesetzt wird, haben sie nichts dagegen. Es gibt auch Sinti, die das Wort Zigeuner ablehnen. Auch das muss man respektieren.
Dass der (große) "Zentralverband der Sinti und Roma" den Begriff "Zigeuner" als diskriminierend ablehnt, soll nicht verschwiegen werden – ausführlich nachzulesen hier (wobei es auch im "Dritten Reich" rassistische Autoren gab, die nicht von Zigeunern, sondern abwertend von Roma und Sinti gesprochen haben). Problem bleibt, dass sich nicht alle von der Doppelbezeichnung angesprochen fühlen. Anders gesagt: Es fehlt ein für alle überzeugender Oberbegriff, wenngleich sich "Sinti und Roma" durchgesetzt hat.
Ich finde die Debatte ziemlich unübersichtlich, zumal sich die Organisationen selbst in grundlegenden Fragen der richtigen Bezeichnung alles andere als einig sind.
Für mich stellt sich die Frage, wie man mit dem Anliegen der Minderheit einer Minderheit umgehen soll. Eine in sich geschlossene Minderheit existiert ja genauso wenig wie eine reine, konfliktfreie Mehrheitsgesellschaft. Von einem "Z.-Wort" zu sprechen, halte ich für falsch, weil man damit jene unter gehörigen Druck setzt, die das Wort "Zigeuner" als Selbstbezeichnung verstehen und so genannt werden möchten. (Wobei mich derartige Abkürzerei ohnehin an Rumpelstilzchen erinnert.)
Man muss also jeweils schauen, mit wem oder über wen man spricht oder eben schreibt. Also: Entscheidend ist der Kontext.
So handhabt es auch das Goethe-Institut, das den Begriff "Zigeunermusiker" zuletzt 2021 ganz selbstverständlich, also ohne Anführungszeichen, in einem Interview verwendet hat. Und dem Goethe-Institut kann man nun keine mangelnde Sensibilität in kulturellen Fragen vorwerfen. (Ich hatte übrigens überlegt, in der Überschrift vom "Zigeunermusiker Markus Reinhardt" zu schreiben, zumal er sich selbst als "stolzen Zigeuner" bezeichnet und so bezeichnet werden möchte (siehe Video), dem bin ich nun nicht nachgekommen, passte schon längenmäßig nicht – und wer weiß, wer sich hier beschwert hätte, ohne den Rest gelesen zu haben.)
Der Exkurs über die richtige Bezeichnung mag ziemlich lang geworden sein und er sollte nicht vom eigentlichen Thema der Familiengeschichte ablenken, aber für den Musiker Markus Reinhardt handelt es sich dabei um eine Frage der Identität, wie auch mehrmals im Feature deutlich wird. Dass Autorin Alexa Henning seinem Anliegen so viel Raum bietet, halte ich für eine Stärke ihres DLF-Features. Es gibt jenen eine Stimme, über die sonst mehr gesprochen wird, als dass man sich mit ihnen unterhält oder sich gar ihre Lebensgeschichten anhört.
Korrektur: In einer ersten Fassung stand, Karl Joseph Reinhardt und Django Reinhardt seien Brüder gewesen. Nach einem Hinweis von Markus Reinhardt waren sie aber Cousins. Den Fehler hatte ich vom DLF übernommen.
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Karl Joseph Reinhardt, ein Cousin des legendären Gitarristen Django Reinhardt, kam 1940 mit seiner Familie, darunter zwölf Kindern, und weiteren 1000 Kölner Sinti, Roma und Mitgliedern anderer Stämme ins Konzentrationslager Auschwitz. Viele wurden umgebracht, andere von der Roten Armee befreit, sie überlebten traumatisiert und zogen zurück in ihre Heimatstadt Köln, wo ihre Nachfahren bis heute leben.
Im Gespräch mit der Autorin erzählt der Kölner Musiker Markus Reinhardt die Geschichte seiner Familie. Er hat sie erforscht, mit den Überlebenden gesprochen, ihre Erinnerungen aufgezeichnet. Dabei geht es immer auch um heutige Debatten. Und sorry, dass das Folgende jetzt mehr Platz einnimmt, als ich eigentlich möchte, aber es ist nicht unwichtig und zugleich erklärungsbedürftig: Mit Verweis auf den Gebrauch in seiner Familie sagt er, dass der Begriff "Zigeuner" nicht diskriminierend sei – ganz im Gegenteil, was man auch hier nachlesen kann:
Ich stamme selbst aus einer Musikerfamilie. Auch unsere Vorfahren sind über die Dörfer gezogen und haben in den Kneipen Zigeunermusik gespielt: Zu einer Zeit, als es noch keine Schallplatten und keine Philharmonie gab. Wir haben klassische Musik zu den Bauern gebracht, etwa die Operette "Zigeunerbaron" aufgeführt. Im 15. Jahrhundert hat König Sigismund deshalb erstmals das Wort Zigeuner im deutschsprachigen Raum benutzt – nicht negativ, sondern ganz klar als Lob verstanden.
Wie schwierig der richtige Sprachgebrauch ist, zeigt ein Blick auf die Internetseite des Vereins "Sinti-Allianz" (hier Wikipedia). Dieser akzeptiert eine wertneutrale Verwendung des Begriffes "Zigeuner" und hält den weithin akzeptierten Doppelbegriff "Siniti und Roma" für eine unglückliche Erfindung der 1990er-Jahre:
Sinti werden bis heute immer wieder mit dem unglücklich gewählten und nur angeblich „politisch korrekten“ Doppelbegriff „Sinti und Roma“ in Verbindung gebracht, der in den 1990er Jahren erfunden wurde. Die Lebenswelten von Sinti und Roma sind sehr verschieden, da sie eine unterschiedliche Geschichte und geografische Herkunft, Wertvorstellungen und Kultur haben. Vor allem die Kultur, Gebräuche, Traditionen und ihre Sprache weichen stark voneinander ab. Im Alltag gibt es kaum Berührungspunkte zwischen Sinti und Roma. ...
Sinti haben seit 600 Jahren Fremdbezeichnungen hinnehmen müssen. Sinti bezeichnen sich selbst als Sinti, das ist ihre Eigenbezeichnung. Viele von ihnen bezeichnen sich gegenüber der Mehrheitsgesellschaft auch als Zigeuner. Wenn dieses Wort wertneutral eingesetzt wird, haben sie nichts dagegen. Es gibt auch Sinti, die das Wort Zigeuner ablehnen. Auch das muss man respektieren.
Dass der (große) "Zentralverband der Sinti und Roma" den Begriff "Zigeuner" als diskriminierend ablehnt, soll nicht verschwiegen werden – ausführlich nachzulesen hier (wobei es auch im "Dritten Reich" rassistische Autoren gab, die nicht von Zigeunern, sondern abwertend von Roma und Sinti gesprochen haben). Problem bleibt, dass sich nicht alle von der Doppelbezeichnung angesprochen fühlen. Anders gesagt: Es fehlt ein für alle überzeugender Oberbegriff, wenngleich sich "Sinti und Roma" durchgesetzt hat.
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Für mich stellt sich die Frage, wie man mit dem Anliegen der Minderheit einer Minderheit umgehen soll. Eine in sich geschlossene Minderheit existiert ja genauso wenig wie eine reine, konfliktfreie Mehrheitsgesellschaft. Von einem "Z.-Wort" zu sprechen, halte ich für falsch, weil man damit jene unter gehörigen Druck setzt, die das Wort "Zigeuner" als Selbstbezeichnung verstehen und so genannt werden möchten. (Wobei mich derartige Abkürzerei ohnehin an Rumpelstilzchen erinnert.)
Man muss also jeweils schauen, mit wem oder über wen man spricht oder eben schreibt. Also: Entscheidend ist der Kontext.
So handhabt es auch das Goethe-Institut, das den Begriff "Zigeunermusiker" zuletzt 2021 ganz selbstverständlich, also ohne Anführungszeichen, in einem Interview verwendet hat. Und dem Goethe-Institut kann man nun keine mangelnde Sensibilität in kulturellen Fragen vorwerfen. (Ich hatte übrigens überlegt, in der Überschrift vom "Zigeunermusiker Markus Reinhardt" zu schreiben, zumal er sich selbst als "stolzen Zigeuner" bezeichnet und so bezeichnet werden möchte (siehe Video), dem bin ich nun nicht nachgekommen, passte schon längenmäßig nicht – und wer weiß, wer sich hier beschwert hätte, ohne den Rest gelesen zu haben.)
Der Exkurs über die richtige Bezeichnung mag ziemlich lang geworden sein und er sollte nicht vom eigentlichen Thema der Familiengeschichte ablenken, aber für den Musiker Markus Reinhardt handelt es sich dabei um eine Frage der Identität, wie auch mehrmals im Feature deutlich wird. Dass Autorin Alexa Henning seinem Anliegen so viel Raum bietet, halte ich für eine Stärke ihres DLF-Features. Es gibt jenen eine Stimme, über die sonst mehr gesprochen wird, als dass man sich mit ihnen unterhält oder sich gar ihre Lebensgeschichten anhört.
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