Artwork

Conteúdo fornecido por Südwestrundfunk. Todo o conteúdo do podcast, incluindo episódios, gráficos e descrições de podcast, é carregado e fornecido diretamente por Südwestrundfunk ou por seu parceiro de plataforma de podcast. Se você acredita que alguém está usando seu trabalho protegido por direitos autorais sem sua permissão, siga o processo descrito aqui https://pt.player.fm/legal.
Player FM - Aplicativo de podcast
Fique off-line com o app Player FM !

Nicola Kuhn – Der chinesische Paravent. Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam

4:00
 
Compartilhar
 

Manage episode 414587500 series 2808962
Conteúdo fornecido por Südwestrundfunk. Todo o conteúdo do podcast, incluindo episódios, gráficos e descrições de podcast, é carregado e fornecido diretamente por Südwestrundfunk ou por seu parceiro de plataforma de podcast. Se você acredita que alguém está usando seu trabalho protegido por direitos autorais sem sua permissão, siga o processo descrito aqui https://pt.player.fm/legal.
Als Kind stand Nicola Kuhn in ihrem Elternhaus oft vor einem meterhohen Wandschirm aus China. Auf ihm reißt ein Drache sein Maul auf, bleckt seine Zähne und fährt seine Krallen aus. Damals in ihrer Kindheit habe der Paravent ihre Fantasie regelrecht beflügelt, erinnert sich die Journalistin. Umso mehr als es sich dabei um ein Geschenk des Kaisers von China höchstpersönlich an ihren Urgroßvater handelte. So zumindest erzählte es ihre Mutter. Inzwischen steht der Wandschirm längst in ihrer eigenen Wohnung, berichtet Nicola Kuhn in ihrem Buch „Der chinesische Paravent“, doch ihr Verhältnis zu ihm sei kompliziert geworden.
Für mich transportiert der Paravent neben privaten Erinnerungen heute vor allem koloniale Geschichte und unsere familiäre Involviertheit. Der Blick darauf hat sich geändert, angestoßen durch ein gewachsenes postkoloniales Bewusstsein.

Quelle: Nicola Kuhn – Der chinesische Paravent. Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam

Kolonialist und Kriegsgewinnler

Es waren die Wochen des Corona-Lockdowns, in denen sich die studierte Kunsthistorikerin intensiv mit der Herkunftsgeschichte des exotischen Möbelstücks beschäftigte. Und mit ihrem Vorfahren, dem Hamburger Kaufmann Carl Bödiker. Wie sich herausstellte, verdiente der sich um 1900 eine goldene Nase damit, die deutschen Truppen in der Kolonie Tsingtau zu versorgen, die den sogenannten „Boxeraufstand“ niederschlagen sollten, ein verzweifelter Widerstand chinesischer Bauern gegen die Ausbeutung durch die europäischen Kolonialmächte. Dass der Wandschirm ein Geschenk des chinesischen Kaisers war, ist eher unwahrscheinlich; vermutlich gelangte er infolge der Plünderung Pekings in die Hände ihres Vorfahrens, so Kuhn.

Menschenschädel als Trophäe

Mit ihrem Buch zeigt die Autorin auf über 350 Seiten eindrucksvoll, warum sich die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem deutschen Kolonialerbe längst nicht nur Museen oder ethnologischen Sammlungen stellt. Denn Nicola Kuhn erforscht noch zehn weitere Erbstücke in deutschen Wohnzimmern, in denen sich die Kolonialgeschichte des Kaiserreichs verdichtet. Sie stehen exemplarisch für mutmaßlich Abertausende weiterer solcher Artefakte in deutschem Privatbesitz, aus China, Papua-Neuguinea oder Afrika. Darunter ist vermeintlich Harmloses wie ein ausgestopfter Papagei, Skurriles wie der Gipfelstein des Kilimandscharo oder Martialisches wie ein Kriegerschild aus Deutsch-Ostafrika. Aber auch Abgründiges wie eine Nilpferdpeitsche oder gar der Schädel eines Herero. Ausgehend von diesen Objekten rücken in Kuhns Recherchen die Menschen in den Blick, die diese Dinge einst als Trophäen oder Erinnerungsstücke nach Deutschland gebracht haben, unter ihnen Missionare und Militärs, Künstler und Unternehmer.
Mich interessierte, wie sie sich in den Kolonien zu Rassismus und Unrecht verhielten, welche Wendung dadurch ihr Leben nahm, was die Folgen ihres Handelns für die lokale Bevölkerung waren. Und ich wollte wissen, welche Position die Angehörigen heute zu dieser Vergangenheit beziehen, wie sie mit dem Erbe in Form eines mitgebrachten Hockers oder Silbergeschirrs umgehen, das einst möglicherweise gewaltsam entwendet wurde.

Quelle: Nicola Kuhn – Der chinesische Paravent. Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam

Beschönigen, profitieren, zurückgeben?

Tatsächlich sind die Umgangsweisen der heutigen Erben mit diesen Objekten – vielleicht der spannendste Aspekt von Kuhns Buch – denkbar unterschiedlich. Verbreitet ist das Bemühen, dem Familiennarrativ zu folgen und die Taten der Vorfahren zu beschönigen, eine Parallele zum verbreiteten verharmlosenden Umgang mit dem Handeln von Familienangehörigen in der NS-Zeit. Einige Nachfahren setzen dagegen erstaunlich unbekümmert die Ausbeutungslogik des Kolonialismus fort und versuchen, aus ihrem Erbe auf die eine oder andere Weise Profit zu schlagen. Und dann gibt es noch jene, denen diese Erbstücke inzwischen so unheimlich geworden sind, dass sie sie an die Nachfahren in den Herkunftsländern zurückzugeben versuchen. Mit ihrem Buch ist Nicola Kuhn ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des deutschen Kolonialerbes im Privaten gelungen. Es ist glänzend recherchiert, faszinierend zu lesen und – lange überfällig.
  continue reading

979 episódios

Artwork
iconCompartilhar
 
Manage episode 414587500 series 2808962
Conteúdo fornecido por Südwestrundfunk. Todo o conteúdo do podcast, incluindo episódios, gráficos e descrições de podcast, é carregado e fornecido diretamente por Südwestrundfunk ou por seu parceiro de plataforma de podcast. Se você acredita que alguém está usando seu trabalho protegido por direitos autorais sem sua permissão, siga o processo descrito aqui https://pt.player.fm/legal.
Als Kind stand Nicola Kuhn in ihrem Elternhaus oft vor einem meterhohen Wandschirm aus China. Auf ihm reißt ein Drache sein Maul auf, bleckt seine Zähne und fährt seine Krallen aus. Damals in ihrer Kindheit habe der Paravent ihre Fantasie regelrecht beflügelt, erinnert sich die Journalistin. Umso mehr als es sich dabei um ein Geschenk des Kaisers von China höchstpersönlich an ihren Urgroßvater handelte. So zumindest erzählte es ihre Mutter. Inzwischen steht der Wandschirm längst in ihrer eigenen Wohnung, berichtet Nicola Kuhn in ihrem Buch „Der chinesische Paravent“, doch ihr Verhältnis zu ihm sei kompliziert geworden.
Für mich transportiert der Paravent neben privaten Erinnerungen heute vor allem koloniale Geschichte und unsere familiäre Involviertheit. Der Blick darauf hat sich geändert, angestoßen durch ein gewachsenes postkoloniales Bewusstsein.

Quelle: Nicola Kuhn – Der chinesische Paravent. Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam

Kolonialist und Kriegsgewinnler

Es waren die Wochen des Corona-Lockdowns, in denen sich die studierte Kunsthistorikerin intensiv mit der Herkunftsgeschichte des exotischen Möbelstücks beschäftigte. Und mit ihrem Vorfahren, dem Hamburger Kaufmann Carl Bödiker. Wie sich herausstellte, verdiente der sich um 1900 eine goldene Nase damit, die deutschen Truppen in der Kolonie Tsingtau zu versorgen, die den sogenannten „Boxeraufstand“ niederschlagen sollten, ein verzweifelter Widerstand chinesischer Bauern gegen die Ausbeutung durch die europäischen Kolonialmächte. Dass der Wandschirm ein Geschenk des chinesischen Kaisers war, ist eher unwahrscheinlich; vermutlich gelangte er infolge der Plünderung Pekings in die Hände ihres Vorfahrens, so Kuhn.

Menschenschädel als Trophäe

Mit ihrem Buch zeigt die Autorin auf über 350 Seiten eindrucksvoll, warum sich die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem deutschen Kolonialerbe längst nicht nur Museen oder ethnologischen Sammlungen stellt. Denn Nicola Kuhn erforscht noch zehn weitere Erbstücke in deutschen Wohnzimmern, in denen sich die Kolonialgeschichte des Kaiserreichs verdichtet. Sie stehen exemplarisch für mutmaßlich Abertausende weiterer solcher Artefakte in deutschem Privatbesitz, aus China, Papua-Neuguinea oder Afrika. Darunter ist vermeintlich Harmloses wie ein ausgestopfter Papagei, Skurriles wie der Gipfelstein des Kilimandscharo oder Martialisches wie ein Kriegerschild aus Deutsch-Ostafrika. Aber auch Abgründiges wie eine Nilpferdpeitsche oder gar der Schädel eines Herero. Ausgehend von diesen Objekten rücken in Kuhns Recherchen die Menschen in den Blick, die diese Dinge einst als Trophäen oder Erinnerungsstücke nach Deutschland gebracht haben, unter ihnen Missionare und Militärs, Künstler und Unternehmer.
Mich interessierte, wie sie sich in den Kolonien zu Rassismus und Unrecht verhielten, welche Wendung dadurch ihr Leben nahm, was die Folgen ihres Handelns für die lokale Bevölkerung waren. Und ich wollte wissen, welche Position die Angehörigen heute zu dieser Vergangenheit beziehen, wie sie mit dem Erbe in Form eines mitgebrachten Hockers oder Silbergeschirrs umgehen, das einst möglicherweise gewaltsam entwendet wurde.

Quelle: Nicola Kuhn – Der chinesische Paravent. Wie der Kolonialismus in deutsche Wohnzimmer kam

Beschönigen, profitieren, zurückgeben?

Tatsächlich sind die Umgangsweisen der heutigen Erben mit diesen Objekten – vielleicht der spannendste Aspekt von Kuhns Buch – denkbar unterschiedlich. Verbreitet ist das Bemühen, dem Familiennarrativ zu folgen und die Taten der Vorfahren zu beschönigen, eine Parallele zum verbreiteten verharmlosenden Umgang mit dem Handeln von Familienangehörigen in der NS-Zeit. Einige Nachfahren setzen dagegen erstaunlich unbekümmert die Ausbeutungslogik des Kolonialismus fort und versuchen, aus ihrem Erbe auf die eine oder andere Weise Profit zu schlagen. Und dann gibt es noch jene, denen diese Erbstücke inzwischen so unheimlich geworden sind, dass sie sie an die Nachfahren in den Herkunftsländern zurückzugeben versuchen. Mit ihrem Buch ist Nicola Kuhn ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung des deutschen Kolonialerbes im Privaten gelungen. Es ist glänzend recherchiert, faszinierend zu lesen und – lange überfällig.
  continue reading

979 episódios

Todos os episódios

×
 
Loading …

Bem vindo ao Player FM!

O Player FM procura na web por podcasts de alta qualidade para você curtir agora mesmo. É o melhor app de podcast e funciona no Android, iPhone e web. Inscreva-se para sincronizar as assinaturas entre os dispositivos.

 

Guia rápido de referências